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Vom Klang der Worte

Nach einem Besuch bei unserer Enkeltochter war ich von einem neuen Kinderbuch in ihrem Schrank so begeistert, dass ich sofort eine Empfehlung schreiben wollte. Der Titel des Buches lautet „Der Bärbeiß“  https://www.hanser-literaturverlage.de/themen/der-baerbeiss

Aber gleichzeitig tauchte die Frage auf – weiß heute ein Kind zu Beginn seiner Schulzeit eigentlich etwas mit dem Wort „Bärbeiß“ (als Substantiv)  bzw. bärbeißig (als Adjektiv, wie ich es bislang kannte) anzufangen? Schon auf den ersten Buchseiten fiel mir gleich wieder Ungewöhnliches auf, nämlich der Name Tingeli – wer oder was ist denn das? 

Und schon überlegt man, wie sich unbekannte Wörter erschließen lassen. Naheliegende Antwort und von mir gern praktiziert: das versuchsweise Gleichsetzen von Klang und Inhalt, quasi durch Lautmalerei. Dabei werden  Geräusche, Klänge aus der Umgebung bei der Bildung eines neuen Wortes sprachlich nachgeahmt – Linguisten mögen bitte bei fehlerhafter Definition großzügig weiterlesen … Jedenfalls funktioniert das prima im Deutschen, wie jeder weiß – klirren – da hört man förmlich das Geräusch aneinanderstoßender Gläser, oder hat man beim Verb zwitschern nicht sofort den morgendlichen Vogelgesang von Meisen im Ohr?? Auch in anderen Sprachen funktioniert das: das italienische Verb brontolare bedeutet brummeln, grummeln, murmeln – dies wiederum kann auch mit dem Synonym mormorare beschrieben werden.

Und bei brummeln und grummeln bin ich schon wieder beim eingangs erwähnten Kinderbuch, dem Bärbeiß. Das ist die zentrale Figur in den drei Büchern

1. „Der Bärbeiß“  

2.„Der Bärbeiß – herrlich miese Tage“ und

3. „Der Bärbeiß – Schrecklich gut gelaunt“

und ein zugehöriges Rätselbuch „Der Bärbeiß sieht alles“ .

Der Bärbeiß verkörpert die schlechte Laune als Dauerzustand. Nichts, aber auch garnichts hat  eine positive Seite, alles ist bestimmt anstrengend, langweilig oder überhaupt ziemlich negativ, so findet er.  Die Bewohner in der Umgebung haben es nicht einfach mit so einem Zeitgenossen. Dann taucht das Tingeli auf – schon beim Klang des Namens meint man, jemanden an der Tür klingeln zu hören, der frisch und fröhlich über Neues plaudert. Auch wieder so ein Beispiel für Lautmalerei, die hier vollkommen zutreffend ist und die Fantasie der kleinen Leser anregt. Jedenfalls schafft es das Tingeli, die Nachbarschaft zu einer halbwegs eingeschworenen Gemeinschaft zu vereinen. All die Figuren, die hier in der fiktiven Stadt Timbuktu leben, kommen auch den vorlesenden Erwachsenen hinreichend bekannt vor, so z.B. überbesorgte Eltern. Und dann passiert im dritten Band der Bärbeiß-Geschichten das Unfassbare: Der Bärbeiß verliebt sich und schon sieht die Welt gaaaanz anders aus!

Der Text der Autorin Anette Pehnt wird durch die Grafikerin Jutta Bauer hervorragend illustriert. Es ist eine Freude, die Bücher zu lesen und anzuschauen, u.a. auch deshalb, weil Kinder und Erwachsene gleichermaßen Freude am Zuhören bzw. Vorlesen haben. Woher stammt nun eigentlich das Wort Bärbeiß? Früher, im Mittelalter etwa, hat man zur Jagd auf Bären Hunde eingesetzt. Diese waren besonders angriffslustig, um nicht zu sagen bissig, mussten sie wohl auch sein, um gegen Bären bestehen zu können; sie waren also bärbeißig. Manchen Quellen zufolge hieß die Rasse, die man zur Bärenjagd einsetzte, sogar Bärbeißer.

Ich wünsche viel Freude bei den Bärbeiß-Geschichten. Der Titel des neuen Buches von Anette Pehnt „Hieronymus oder wie man wild wird“  https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/hieronymus-oder-wie-man-wild-wird/978-3-446-26952-1 klingt auch sehr spannend.

 

Copyright: https://www.hanser-literaturverlage.de

In der Wandlitzer Buchhandlung gibt es übrigens vierteljährlich ein Magazin namens „Lesart“, ein unabhängiges Journal für Literatur http://www.lesart-literatur.de, in dem Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt in sehr zutreffenden Artikeln vorgestellt und Autoren bekannt gemacht werden. Die Hefte sind übersichtlich gegliedert u.a. in die Rubriken Kinder- und Jugendbuch, Sachbuch, Krimis, deutschsprachige Literatur, Lesevielfalt und Jubiläen, fremdsprachige Literatur u.ä. Für mich gibt es meist in jedem Heft einen Hinweis darauf, was man unbedingt noch lesen müsste. Die einzelnen Hefte verlieren nach 3 Monaten auch nicht ihre Gültigkeit, können also weitergereicht werden oder gar zur Diskussion über bestimmte Werke herangezogen werden.