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Nachtrag zur Reformation

Liebe Leserinnen und Leser,

vermutlich sagt Ihnen der Name Michael Triegel nicht sofort etwas oder aber, Sie haben ihn jüngst am Reformationstag erstmals im Fernsehen wahrgenommen.  Michael Triegel, der 56 jährige  Maler aus Leipzig, ist relativ wenigen bekannt. Er gehört zu Deutschlands ganz wenigen Künstlern, die ihren christlichen Glauben bildlich in altmeisterlicher Technik ausdrücken, mit theologischen Kenntnissen (er ist Ehrendoktor der theologischen Fakultät der Uni Leipzig) und Wissen um christliche Symbolik und eben auch mit dem Mut, in den Bildern sein Glaubensverständnis darzustellen. 

Neben zahlreichen Arbeiten für kirchliche Gebäude, Museen und Kunstsammlungen, war ein Höhepunkt im Schaffen Michael Triegels das Porträt des deutschen Papstes Benedikt XVI. für den Heiligen Stuhl in Rom. Anfang der 2020er Jahre schuf er dann eine neue Mitteltafel für den Marienaltar von Lucas Cranach im Naumburger Dom. Dieser Marienaltar von Cranach wurde während der Reformationskriege im 15. Jh. bis auf zwei Seitenflügel zerstört, denn gerade der Marienkult in der katholischen Kirche war den Reformern ein Dorn im Auge. Die neue Mitteltafel von Michael Triegel enthält nun, nach 500 Jahren, natürlich andere, neue Elemente. Unter anderen sind die Apostel Petrus und Paulus, einer mit Basecap, der andere als Rabbiner und auch der evangelische Theologe Friedrich Bonhoeffer um Maria mit dem Kind versammelt. Da liegt der Gedanke nahe, dass zwischen den Religionen eine Versöhnung angestrebt wird.  

Man könnte nun meinen, alles ist aufs Beste bestellt, alles passt auch gut zum Reformationsfest und zu Allerheiligen und Allerseelen. Aber die Sachlage ist eine andere, denn es gibt da noch den Denkmalschutz. Das Bild Triegels wurde von dieser Behörde derart angefeindet, dass es nun aus dem Dom wieder entfernt werden musste. Und zwar gegen den Willen der Domgemeinde und nachdem sowohl der evangelische als auch der katholische Bischof von Magdeburg den Triegel-Altar geweiht hatten. Die Denkmalschützer drohen, dem Naumburger Dom den Weltkulturerbestatus abzuerkennen. Die Argumente für und wider will ich hier nicht darlegen, denn ich kann diesen Streit fachlich nicht beurteilen. In den Medien ist bei den Berichten über diese Auseinandersetzung wiederholt von Rechthaberei der Denkmalschützer die Rede. 

Ich möchte vielmehr in den Vordergrund stellen, dass der Altar aus Naumburg nun in der Kirche eines deutschsprachigen Ordens auf dem campo santo teutonico direkt am Petersdom in Rom aufgestellt wurde. Hier stehen nun sich nun zwei unterschiedliche Marienaltäre gegenüber; der ursprüngliche in dieser Kirche stammt auch aus der Zeit von Lucas Cranach, der aus Naumburg hat neue, vielleicht sogar provozierende Elemente.  Für dieses Ensemble aus beiden Altären wurde es sogar ermöglicht, eine der schönsten Skulpturen im Kirchenraum zeitweilig umzustellen. Diese helfende, verstehende Geste zwischen zwei Konfessionen, die nicht immer tolerant miteinander umgingen, ist es wert, besonders hervorgehoben zu werden, so finde ich. Auch die Logistik und Finanzierung des Transportes der großen Altarflügel nach Rom ließ sich mit Hilfe katholischer Glaubensbrüder schnell realisieren und ohne dass die Bürokratie unüberwindliche Ausmaße annahm.

Ebenso zeugen andere Details in diesem Zusammenhang von einer lebensnahen Kirche, von gelebtem Glauben. Triegel gab dem Petrus auf seinem Bild das Aussehen eines Bettlers, den er einst am Petersdom kennenlernte. Als die Naumburger Altartafeln in Rom ankamen, erkannte man diesen Bettler und fand heraus, dass er ein evangelischer Deutscher war, der inzwischen verstarb und auf Wunsch von Papst Franziskus auf dem campo santo (heiliges Feld, ein ehemaliger Friedhof für Pilger) seine letzte Ruhe fand. Im Verhaltenscodex der „Erzbruderschaft zur Schmerzhaften Muttergottes“  (ein deutsches Priesterkolleg) auf dem campo santo teutonico steht eine Kultur des wertschätzenden, fairen und willkommen heißenden Miteinanders nicht nur auf dem Papier. Es bleibt zu hoffen, dass der für zwei Jahre genehmigte Aufenthalt des Naumburger Altars in Rom ausreicht, um die Wogen in Deutschland zu glätten, denn mir scheint, auch die Domgemeinde in Naumburg hat Interesse an einer lebendigen Gemeinschaft, denn sie betont, dass sie ihre Kirche nicht vordergründig als Museum wahrnehmen will. 

Dieser Bericht bezieht sich auf einen Artikel in der Wochenschrift „Die Zeit“ vom  30.10.2025 in der Rubrik „Glauben & Zweifeln“ von Evelyn Finger.

Sybille Gruska

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:%22Sacra_Conversazione%22_von_Michael_Triegel_von_2022.jpg

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