Mit dem 6. Januar beginnt im Kirchenjahr ein neuer Abschnitt – die Ephiphaniaszeit. Der Tag wird auch als Dreikönigstag bezeichnet, denn die Weisen (Könige) aus dem Morgenland folgten dem Stern und kamen, um den neugeborenen König anzubeten, und sie brachten kostbare Geschenke – Gold Weihrauch und Myrrhe. Über die Symbolik dieser drei Geschenke ist schon viel geschrieben worden: Gold als Zeichen dafür, dass der Neugeborene wie ein König geehrt wird, Weihrauch verweist auf die Göttlichkeit des Beschenkten und Myrrhe deutet bereits den Kreuzestod an, denn mit Myrrheöl wurden Verstorbene gesalbt.
Von Gold haben wir im heutigen Alltag eine ziemlich konkrete Vorstellung. Will man sich über Weihrauch und Myrrhe kundig machen, gelangt man in den digitalen Medien fast immer zu alternativen Heilmethoden abseits der Schulmedizin.
Weihrauch und Myrrhe haben aber bereits schon lange vor Beginn der Zeitrechnung große Bedeutung, nicht nur in der jeweiligen Heilkunst, sondern auch bei religiösen Ritualen und Kulthandlungen.
Schon im alten Ägypten, also gut 3000 Jahre v. Chr., wurde Weihrauch als Räucherwerk bei Opfergaben eingesetzt. Ebenso beweisen archäologische Funde die Verwendung von Weihrauch im Judentum. Auch im Alten Testament wird Bezug darauf genommen. Griechen (ab etwa 700 v. Chr.) und Römer (ab etwa 400 v. Chr.) setzten Weihrauch als Opfer für ihre Götter ein und erhofften sich damit ihre Gunst. Im Neuen Testament (Mt 2,11) bringen, wie oben erwähnt, Kaspar, Melchior und Balthasar dem Jesuskind die wertvollsten Geschenke ihrer Zeit. Nach Kaiser Konstantin, der das Christentum zur Staatsreligion erhob (im Jahr 325), gingen die Huldigungen für die (weltlichen) Herrscher auch auf christliche Würdenträger über. Weihrauch hatte etwa ab dem 5. Jh. einen festen Platz in der Liturgie Auch zur Thematik, wie Weihrauch als Opfermittel ins Christentum kam, gibt es lange und ausführliche Untersuchungen und Schriften.
Das Aufsteigen des Rauches wurde mit einem Gebet zu Gott verglichen, verbunden mit der Bitte, das Gebet möge Gott erreichen und erhört werden und dem Betenden möge vergeben werden. Mit der Reformation sank die Bedeutung des Weihrauchs in den lutherischen Kirchen und wurde während der Aufklärung bis ins 19. Jh. zwischenzeitlich fast völlig zurückgedrängt. Die evangelisch-lutherische Kirche heute kennt den Gebrauch von Weihrauch als eine unverbindliche Zeremonie – zum Glück, mögen manche sagen, denn man hört immer wieder die Meinung, dass Weihrauch in den Kirchen Hustenreiz, Atemnot und Unwohlsein erzeugt. Wie geht das zusammen mit all den guten Eigenschaften, die die Naturheilkunde Weihrauch und Myrrhe nachsagt?
Und schon ist man bei einer Problematik gelandet, die auch Eingang in naturwissenschaftliche Untersuchungen findet.
Weihrauch ist das luftgetrocknete Harz von Bäumen der Gattung Boswella. Bei Myrrhe handelt es sich ebenfalls um Harz, aber von Büschen der Gattung Commiphora. Beide Gattungen gehören zu den Balsambaumgewächsen (Burseraceae). Sie wachsen vor allem in Afrika. Die kommerziell genutzten Arten sind am Horn von Afrika, in Ländern wie Somalia, Sudan, Eritrea, im Oman und im Jemen zu finden. Ich selbst habe viel weiter südlich, in der Kalahari-Wüste, Commiphorabüsche kennengelernt.
Die Harze werden meist auf traditionelle Art geerntet. Dazu wird die Rinde an Stamm oder Ästen flächig abgetragen und das austretende weiße Harz erstarrt an Luft und Sonne zu mehr oder weniger klaren Gebilden. Die Harze haben gelbliche bis dunkelbraune Färbung. Die helleren Sorten gelten als besonders wertvoll, vor allem die leicht grünlichen. Optisch erinnert Weihrauch an kleine, unbearbeitete Bernsteinstückcken. Wie bei vielen Naturprodukten ist die Qualität der gewonnenen Harze sehr von Standort und Verarbeitung abhängig. Geläufig ist uns dieser Fakt z.B. bei der Weinherstellung. Die beim Räuchern der Harze entstehenden Duftstoffe sind folglich auch sehr verschieden. Analytische Arbeiten im Labor erlauben, die Herkunft und/oder Reinheit des Weihrauchs nachzuweisen. Das ist für viele pharmazeutische und medizinische Fragen und auch für die Kosmetik- und Aromaindustrie wichtig. Es ist nicht immer leicht, Duftstoffe, die natürlich im Harz enthalten sind (der Anteil ätherischer Öle beträgt bis zu 10 %) von denjenigen zu unterscheiden, die durch das Räuchern entstehen. Beimischungen sind häufig für die unerwünschten (Neben-)Wirkungen und Gerüche verantwortlich.
Seit Mitte des letzten Jh. sind die Bestände wild wachsender Weihrauchbäume zurückgegangen, wozu auch übermäßiges Anzapfen, Feuerholzbeschaffung oder Schädlinge beigetragen haben. Somit ist der Schutz dieser uralten Nutzgewächse durch nachhaltige Bewirtschaftung ein Erfordernis, damit auch zukünftig der Duft von Weihrauch zu kirchlichen Handlungen dazugehört und das Harz auch weiterhin in der Naturheilkunde eingesetzt werden kann.
Inhaltlich nimmt dieser Text teilweise Bezug auf einen Artikel in den Mitteilungsblättern der Chemischen Gesellschaft: Niebler, J. und Büttner, A. Nachrichten aus der Chemie 64 (2016) S. 23-26
S. Gruska