Kategorien
von .info

Erhellender Miriams-Gottesdienst in dunkler Oktobernacht

Das erste, was mir einfällt, als ich an diesem Samstagabend des 10. Oktobers zusammen mit meiner Frau auf den Weg in den Miriams-Gottesdienst vor der Wandlitzer Kirche die Leuchtfeuer und später in der dunklen Kirche das Kerzenlicht sehe: normalerweise erleben wir Kirche im Dunkeln nur an Heilig-Abend

Heute aber ist alles anders. Nicht nur ,weil Corona-bedingt große Abstände zwischen den Gottesdienstbesucher*innen eingehalten werden und mit gut 30 Menschen schon fast alle zugelassenen Plätze besetzt sind. Es ist die ganze Atmosphäre! Eine Arbeitsgruppe von acht Frauen aus dem Pfarr-Sprengel hat zusammen mit der Frauenbeauftragten des Kirchenkreises Barnim, Pfarrerin Sabine Müller und der Diakonin Doreen Köhler einen Gottesdienst vorbereitet, den ich als frohes und ermutigendes „Fest“ erlebe.

Stellt euer Licht nicht unter den Scheffel, diese Aufforderung von Jesus aus der Bergpredigt ist das Thema! Und was da alles  leuchtet an diesem Abend in der Wandlitzer Dorfkirche: nicht nur die Lichterketten, und die vielen Kerzen, die jeweils von einzelnen Frauen entzündet werden. Alle Frauen, die gemeinsam dieses Fest zelebrieren, haben sich in weiße Blusen gekleidet und lassen neben dieser schönen erhellenden Kleidung auch in ihren Wortbeiträgen immer neue frohe Gedanken erkennen, der Selbstermächtigung, der Ermutigung, der Würde und Würdigung.

Kerzenglanz und Lichterschimmer lassen aber die Stimmung nicht etwa ins Unbestimmte oder Kitschige abgleiten, sondern in der Predigt wie in den Fürbitten geht es sehr konkret um mutige Frauen. Pfarrerin Müller formulierte es so: „Wie gut, dass da immer wieder das Leuchten Gottes in der Welt zu finden ist: in den weißen Rosen der demonstrierenden Frauen in Belarus, in den Gesichtern der Black-lives-matter-Mütter, die ihre getöteten Söhne beklagen und in dem Mut von Frauen, die aufstehen und weggehen aus Unrecht, Armut, Benachteiligung und Rollenerwartungen.“

 

An diesem Abend war es das erste Mal in meinem Leben, dass ich bewusst einen „Frauen-Gottesdienst“ erlebte. Ich war sehr neugierig, was mich erwartet. Was mich faszinierte, war die Vielfalt der beteiligten Frauen, Frauenschicksale, die vielen verschiedenen Gesichter, die in den Beiträgen und Gebeten von Frauen gezeigt wurden, die ihr Licht nicht (mehr!) unter den Scheffel stellen wollen und werden! Und zu keinem einzigen Zeitpunkt dieser schönen Stunde fühlte ich mich als Mann ausgegrenzt oder nicht angesprochen. Ich erlebte einen Abend voller Schönheit und Mut, voller vielfältigem Licht. Und ging mit dem tiefen Empfinden nach Hause, dass wir alle einen Gewinn davon haben, wenn Frauen, wie Männer, wenn Menschen in Not, wie Menschen in gesicherten Verhältnissen ihr Licht (und vielleicht auch mitunter ihre Erleuchtung!) nicht länger unter den Scheffel stellen. Ein wahrhaft erhellender Gottesdienst in dieser dunklen Oktobernacht.

 

Eine Audioaufzeichnung des Gottesdienstes kann man unter https://ludewig.me/miriamsgottesdienst-2020/https://ludewig.me/miriamsgottesdienst-2020/  anhören.

Mathis Oberhof