Ursprünglich war es reiner Zufall, dass wir am 8. März die multimediale Show „Klimts Kuss – eine immersive Geschichte“ besuchten. Im Nachhinein scheint es jedoch auch interessant, einmal nachzufragen, wie und ob sich das Frauenbild zu Klimts Lebzeiten (1862 bis 1918) in unserer Gegenwart widerspiegelt.
Aber zunächst zur Ausstellung: Eine immersive Multimedia-Show wurde an dieser Stelle bereits vor gut einem Jahr, im Februar, 2022 beschrieben.
Es ging dabei um die Darstellung und Würdigung des impressionistischen Malers Claude Monet.
Nun also Gustav Klimt, dessen bekanntestes Gemälde, goldig schimmernd und flirrend „Der Kuss“ heißt. Informationen zur Ausstellung, Veranstalter ist die Alegria Exibition GmbH, und visuelle Eindrücke können über https://www.alegria.de/klimts-kuss abgerufen werden.
Die Location der Show, die Musikbrauerei (nicht die Kulturbrauerei) in der Greifswalder Straße 23a in Berlin, empfing uns ziemlich unspektakulär bis düster-abweisend. Auch der Eingangsbereich, wo die Biografie des Wiener Jugendstilkünstlers aufgezeigt wurde, war – ganz anders als bei Monet – in dunklen Farben gehalten.
In der Multimediashow dagegen war es völlig anders. Auf die 4 Wände und den Fußboden des Saales ergoss sich ein Feuerwerk aus Farben und Motiven. Der Zuschauer wurde zunächst mit der Situation in Wien um die Jahrhundertwende bekannt gemacht, wo Klimt umjubelt und zugleich umstritten war. Seine Schaffensperioden wurden dann in einem fiktiven Interview zwischen einer Kunstliebhaberin der Gegenwart und Gustav Klimts langjähriger Gefährtin Emilie Flöge vorgestellt – ein Gespräch unter Frauen sozusagen. Diese Situation ist nicht sofort zu erfassen, wenn man die etwa einstündige Präsentation nicht von Beginn an verfolgt hat (die Präsentation läuft in Endlosschleife und kann vom Zuschauer beliebig oft und mittendrin beginnend angesehen werden).
Die mit klassischer Musik unterlegten Dialoge waren mitunter schwer zu verstehen, was m.E. dem Wiener Dialekt des Gesprochenen geschuldet war (wie „echt“ dieser Dialekt ist, vermag ich als in der Uckermark Beheimatete nicht zu sagen). Es wurde deutlich, dass Klimts zentrales Motiv die Darstellung der Frau war. Porträts wohlhabender Unternehmergattinnen und Freundinnen, aber auch gefährlich-erotische, mysteriöse Wesen in Kombination mit Blumen und Ornamenten durchziehen sein Werk. Und Klimt hat die Frauen geliebt, wovon u.a. sieben Kinder mit diversen Frauen Zeugnis ablegen. Die Modeschöpferin Emilie Flöge, gilt als seine langjährige Gefährtin. Es gibt zwar eine umfangreiche Korrespondenz zwischen beiden, dennoch bleibt die Rolle dieser kreativen Designerin an seiner Seite undeutlich.
Derartige Details aus dem Leben und Schaffen Klimts entnahm ich nach dem Besuch der Show dem Buch „Klimt“ von Gilles Néret aus dem Verlag Taschen (ISBN 3-8228-6362-9). Ich habe nachgelesen, weil mich besonders interessierte, warum der Untertitel der Show „Der Kuss – ein Spiel mit dem Feuer“ heißt. Sollte in der Videoprojektion mit der wiederholten Darstellung brennender Flächen der Bogen zur Gegenwart geschlagen werden? Einige Werke Klimts sind nämlich am Ende des zweiten Weltkrieges verbrannt und auch heute durchziehen Flammen und brennende Häuser unsere Nachrichten. Der Beziehung zum heutigen Frauenbild nachzuspüren, wie es am Beginn dieses Textes angedacht war, ist nicht einfach. Ich fand die (fiktive) Behauptung der Emilie Flöge auf die Frage, ob die beiden kreativen Künstler nie über eine Heirat nachgedacht haben, ziemlich „bemüht“. Sie meinte, man habe sich eben seine Freiheit und Unabhängigkeit bewahren wollen. Diese Behauptung kann Stoff für seitenlange Spekulationen geben. Die Einstellung der feinen Wiener Gesellschaft wird dabei sicher auch nicht unbeachtet geblieben sein, genau wie die zahlreichen Affären des Malers.
Es fällt hingegen leichter, sich an den Formen und Farben der Werke Gustav Klimts zu erfreuen, die in eindrucksvoller Weise in dieser Show gezeigt wurden.
All die kleinen mosaikartigen Darstellungen waren für mich folgerichtig das Produkt eines Künstlers, dessen Vater Ziseliermeister und Goldgraveur war und der zu dieser Malweise vielleicht beigetragen hat. Auch Klimts Brüder waren anerkannte Künstler.
Am Schluss der Ausstellung konnten sich Besucher in das Bild „Der Kuss“ einbringen. Die Umrisse des Bildes sind mit viel Geglitzer und Geflimmer an die Wand projiziert. Stellt man sich in diese Mitte, werden noch zusätzlich viele, meist goldene Bausteinchen zugefügt – der perfekte Hintergrund für ein Foto mit einem lieben Menschen und eine schöne Erinnerung an diesen Ausstellungsbesuch.
Inspiriert von so viel Jugendstil kann an dieser Stelle eine weitere, wundervolle Ausstellung empfohlen werden: Nur 6 Wochen lang (bis zum 11. Juni) ist im Museum Barberini in Potsdam die Ausstellung „Sonne. Die Quelle des Lichtes in der Kunst“ zu sehen. (https://www.museum-barberini.de/de/ausstellungen/9493/sonne-die-quelle-des-lichts-in-der-kunst9) Man kann sich an sonnendurchflutenden, häufig impressionistischen Werken erfreuen.
Hier im Museum Barberini und in dieser besonderen Ausstellung begegnet uns der Maler Claude Monet in vielfältigen Bildern wieder. Das Barberini in Potsdam gilt, neben Paris, als die zweitgrößte Sammlung von Monet-Bildern in Europa.
Und hier kann man – im Gegensatz zur Klimt-Ausstellung – auch im Anschluss an den Besuch gepflegt eine Tasse Kaffee trinken – wenn auch nicht aus einer Klimt-Tasse, die bei mir schon lange, schon vor der beschriebenen Ausstellung zum morgendlichen Aufwach-Ritual gehört.
Viel Freude bei Klimt in Berlin und bei Monet in Potsdam!