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Moment mal… „Weltliche Dinge“ von R.Sievert

Am Rand der kleinen, kleinen Stadt lag ein verwilderter Garten. Hinten im Garten stand ein typisches Schwedenhaus in Faluröd – dem „Schwedenrot“ – und dort wohnte Jo, ein alter Freund der Familie, der vor vielen Jahren nach Schweden ausgewandert war. Bei Jo schliefen wir Schwestern im Kasten der Küchenbank und auf seinem Akkordeon spielte er uns in den hellen Nächten des schwedischen Sommers noch etwas vor. Er warf beim Kräftkalas, dem Krebsfest, sein Glas hinter sich in den Garten und rief: „So jung kommen wir nicht mehr zusammen!“

Vor allem aber pflegte er zu sagen: „Das sind weltliche Dinge“ bezogen auf kleinere und größere Schwierigkeiten des Alltags. Ich war erst zehn Jahre alt, aber irgendwie ahnte ich, was es bedeuten könnte.

Seine Bemerkung brachte mir Leichtigkeit; man hätte es auch als Abwinken, als nicht-ernst-genommen-Werden empfinden können, aber es passte zum fliegenden Glas im Garten. Natürlich gibt es Orte, Lebensphasen und strukturelle Voraussetzungen, die es leichter oder schwerer machen, die weltlichen Dinge weltlich sein zu lassen. Ein zerstörtes Paar Schuhe oder eine nicht mehr funktionierende Waschmaschine sind nur weltliche Probleme, wenn einen die Neubeschaffung nicht in existenzielle – weil finanzielle – Nöte bringt. Aber ich fing an zu begreifen, dass es, wenn es weltliche Dinge gab, auch Dinge gab, die darüber hinaus gingen. Ich verstand, dass es Umstände gab, die in meiner Hand lagen, die Gott wohl wahrnahm, aber nicht weiter verändern konnte. Den verpassten Bus am Morgen würde er nicht anhalten, auch wenn es den ganzen weiteren Verlauf meines Tages, vielleicht der ganzen Woche negativ beeinflussen würde.

Und dann gab es Dinge, die waren klar sein Bereich. Ich konnte, nein musste mich darauf verlassen, dass er mir zumindest einen Teil meiner Sorgen darüber abnehmen würde und ich die getrost in Gottes Hände legen konnte. Und so wird der Verweis auf die weltlichen Dinge kein Kleinreden, sondern eine Verheißung auf den Umkehrschluss.

Rahel-Christin Sievert

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