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Vom Schenken zum Fest

Vielleicht sollte ich lieber gar nichts zu diesem komplexen Thema schreiben – zu unterschiedlich sind die Auffassungen zum Schenken, zu vielfältig die Bemühungen um ein passendes Präsent. Sollte ein Geschenk mehr den Wert einer Aufmerksamkeit erfüllen oder ist es eher eine Investition, eine Anschaffung? Müssen es immer gegenständliche Gaben sein und muss immer etwas Neues unser Herz erfreuen? Die Liste der Fragen könnte man beliebig fortsetzen.

Aber im Rahmen der Beiträge in unserer digitalen Kirche ist eine umfassende Betrachtung dieser Problematik weder erforderlich noch möglich. Ich bin bei der Suche nach einer schönen Weihnachtsgeschichte auf das Thema Schenken gestoßen. Es gibt von Heinrich Böll eine Kurzgeschichte aus dem Jahr 1952 mit dem Titel „Das Schicksal einer henkellosen Tasse“, die mir sehr gefällt. Obwohl die gesellschaftliche Situation damals eine ganz andere als heute war, finde ich diese Geschichte für unsere Gegenwart sehr passend. Es wird darin das Konsumverhalten der Menschen beleuchtet –  wir würden heute vielleicht sagen, es geht um Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit in dem Sinne, dass viele Dinge uns nahezu ein Leben lang begleiten, und die es dann ganz einfach nicht verdient haben, in die Abfalltonne zu kommen, nur weil es immer wieder neueren und moderneren Ersatz dafür gibt. Heinrich Bölls Geschichte liest sich trotz dieser wichtigen Problematik kurzweilig und unterhaltsam, zum Teil sogar ironisch. 

Auch über das Maß und den Umfang von Geschenken könnte man lange Abhandlungen schreiben.  Ich fand dazu ein reizendes Gedicht von Heinrich Seidel (1842 – 1906):

 

 

„Ich wünsche mir ein Schaukelpferd“. Hier der Link zum Hören des Gedichtes. 

 

 

Ich sehe sie direkt vor mir, die Kleinen, so etwa im Vorschulalter, wie die Fantasie ihre Wünsche beflügelt und sie eifrig immer neue Ideen für mögliche Weihnachtsgeschenke haben. Und sicher ist nicht jeder/jede gleich als habgierig zu tadeln. All die Geschenke sollen ja für viele Kinder reichen, kann man da gut argumentieren. 

Bei Joachim Ringelnatz fand ich ein Gedicht über das  Schenken, welches uns wieder vor Augen führt, wieviel Anspruch in  einem gelungenen Geschenk stecken kann:

 

          Schenken

Schenke groß oder klein,

Aber immer gediegen.

Wenn die Bedachten

Die Gaben wiegen,

Sei dein Gewissen rein.

 

Schenke herzlich und frei.

Schenke dabei,

Was in dir wohnt,

An Meinung, Geschmack und Humor,

So daß die eigene Freude zuvor

Dich reichlich belohnt.

 

Schenke mit Geist ohne List.

Sei eingedenk,

Daß dein Geschenk

Du selber bist.

 

Alle Texte aus : Literarischer Adventskalender, Verlag Ph. Reclam jun., Stuttgart1996

 

Von einer ganz anderen Art zu schenken, kann ich noch berichten. Vor ein paar Jahren hat ein befreundetes Ehepaar sich zu einem runden Geburtstag gewünscht, jeder Gast bzw. jeder Gasthaushalt möge die Jubilare einmal einladen, entweder zu einer besonderen Gelegenheit oder auch zu einem Nachmittag/Abend, der typisch ist für die Einladenden. Dazu durften dann andere Teilnehmern der Feier die Runde vervollständigen. Die ganze Aktion war nicht in Kürze erledigt, manchmal etwas mühsam zu organisieren und  zog sich gut ein Jahr hin. Bei den Einladungen wurde dann zusammen gekocht oder musiziert oder gewandert, alte Bilder kamen zum Vorschein  und es wurde  in Erinnerungen geschwelgt. Schließlich war es für alle Beteiligten bereichernd, denn es gab häufiger als üblich einen Treff im weit gestreuten Freundeskreis. Auch so macht Schenken Freude und wir reden noch heute von dieser Aktion.

 

Und da ich so gern Italien erwähne, kann ich noch von einer weihnachtlichen Begebenheit berichten. 2018 waren wir ganz im Süden Italiens, quasi am Ende des Absatzes der gestiefelten Halbinsel während einer Sprachreise in Lecce – barocker kommt wohl kaum eine andere Stadt in Italien daher. In der Innenstadt, gänzlich aus hellem Sandstein aus der Region im typisch Lecceser Barockstil erbaut, glaubt am sich schon in einer anderen Zeit, in einer anderen Welt. Als wir dann in ein kleines Ladengeschäft im Souterrain geführt wurden, war plötzlich Weihnachten. Draußen war zwar Anfang Oktober herrlichster Sommer, hier jedoch empfingen uns Krippenfiguren, Engel, die Weisen aus dem Morgenland, Ochs und Esel in den unterschiedlichsten Größen und Darstellungen. Wir waren in Italiens einziger Werkstatt zur Herstellung religiöser Figuren aus Pappmaché gelandet. http://www.cartapestariso.it/catalogo.html 

 

 

 

 

 Der Maestro höchst selbst hat sein Handwerk vorgestellt und betont, dass die Kunst darin liege, durch Bemalung edle Materialien wie Marmor, Gold usw. zu imitieren. Diese Kunst war quasi aus der Armut in den südlichen Regionen entstanden, denn man wollte mit dem Prunk der großen Kirchen in Rom mithalten, wollte die Kirchen schmücken wie an den bedeutenden Stätten der Christenheit. Die Figuren und Imitationen gelingen perfekt. Große Figuren enthalten innen eine „Stütze“ aus Draht, sind mit Stroh und anderen Materialien gefüllt und das Äußere aus Pappmaché wird perfekt moduliert, gehärtet und dann bemalt. 

 

Warum erzähle ich dies zum Thema Weihnachtsgeschenke? Weil so ein Engelchen, von den meisten unserer Gruppe belächelt als – nun ja, etwas kitschig und nicht ganz modern – in die Tasche unserer Lehrerin wanderte. Als wir uns dann ein Jahr später zum 1. Advent im gleichen Kreis wieder  trafen, um italienische Weihnachtslieder zu singen und Panettone zu essen, mochten plötzlich alle diesen Engel; er war zum Symbol einer gelungenen Reise geworden. Und ich habe insgeheim bedauert, damals nicht auch ein Figürchen gekauft zu haben. Es wäre auch ein schönes Weihnachtsgeschenk gewesen.

 

 

 

 

Nun, der ultimative Vorschlag für DAS Geschenk wird auch am Ende meines Textes nicht stehen. Dennoch wünsche ich, dass es für jeden gleichermaßen schön ist, Geschenke zu erdenken und zu besorgen, zu verpacken, Geheimnisse darum zu machen und  dann auch Geschenke zu erhalten, auszupacken, überrascht zu sein und sich zu freuen.

 

Sybille Gruska