Laetare ist der Name des vergangenen Sonntags. Die lateinische Antiphon beginnt mit den Worten: „Laetare cum Jerusalem, et exsultate in ea, omnes qui diligitis eam“ (Jes 66, 10); deutsch: Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über sie alle, die ihr sie liebhabt! Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom.
Der Wochenspruch am Sonntag Laetare lautet „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Joh 12, 24).
Dieser Gedanke weist über den Tod hinaus auf das Leben und einen Neuanfang. So sind die Lieder und Lesungen dieses Sonntags getragen von Hoffnung und auch Vorfreude auf neues Leben und damit auf Ostern – das höchste Fest der Christenheit, an dem wir die Auferstehung Jesu feiern. Der Sonntag Laetare, der sich gemessen an der Anzahl aller Sonntage der Passionszeit etwa auf halber Wegstrecke befindet, wird deswegen mitunter auch als „kleines Osterfest“ bezeichnet.
Die für diesen Sonntag bestimmten Wochenlieder sind „Jesu, meine Freude“ (EG 396), das sicher zu den bekanntesten klassischen Kirchenliedern gehört und – wie könnte es anders sein – „Korn, das in die Erde“ (EG 98).
Jürgen Henkys, der Verfasser des Textes von „Korn, das in die Erde“, wirkte zunächst in der Niederlausitz und später in Brandenburg (Havel). 1954 siedelte er, einem Aufruf der EKD folgend, aus Westdeutschland in die DDR über, um in einer ostdeutschen Landeskirche den Pfarrdienst wieder mit aufzubauen. Seine Lieder, die in vielen Fällen Übertragungen fremdsprachiger geistlicher Texte in eine zeitgemäße und damit uns vertraute Sprache sind, fanden schnell Verbreitung im Gebiet der DDR-Kirche. Viele dieser Texte, die sich seither ungebrochener Beliebtheit erfreuen, fanden schließlich auch Eingang in das Evangelische Gesangbuch: Das Volk, das noch im Finstern wandelt / Holz auf Jesu Schulter / Der schöne Ostertag / Morgenlicht leuchtet seien nur stellvertretend genannt. Die Lektüre und vor allem das Singen dieser oft sehr tiefgründigen und sprachlich interessanten Lieder lohnt sich allemal!
„Korn, das in die Erde“ beruht inhaltlich auf dem englischen Lied „Now the Green Blade Rises“ von J. M. Campbell Crum aus dem Jahr 1928 und bewegt sich in seiner Kernaussage zunächst um die oben zitierte Stelle aus dem Johannes-Evangelium. Jürgen Henkys’ etwa 50 Jahre später entstandene deutsche Neufassung besticht vor allem durch ihre sprachliche Knappheit. Vieles bleibt darin unausgesprochen oder wird eher zwischen den Zeilen in eindrucksvollen sprachlichen Bildern angedeutet, aber gerade darin liegt wohl auch die Stärke des Textes. Natürlich klingen auch wörtlich die uns vertrauten Bilder im Zusammenhang mit dem Passionsgeschehen an. Es ist die Rede von in „Gestrüpp und Dorn“ gefangenen Herzen oder von dem schweren Felsen vor dem Grab, in dem Jesus liegt, aber am Ende klingt über allem der hoffnungsvoll-eindringliche Ruf „Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün“, mit dem jede der drei kurzen Liedstrophen abschließt.
Und so liegt in diesem kurzen Lied alles ganz nah beieinander: Angst und Vertrauen – Zweifel und Hoffnung – Trauer und Freude – Sterben und Leben – Passion und Ostern.
Auch im musikalischen Teil dieses Liedes ergänzt sich Gegensätzliches zu einem runden Gesamtbild. Eine alte Melodie trifft auf einen neuen Text. „Noël nouvelet“ finden wir als Quellenangabe unter der Nr. 98 im Evangelischen Gesangbuch. Als Noëls (mit getrennt gesprochenem o | ë) bezeichnet man alte französische Weihnachtlieder. Und so ist es auch hier: die etwas eigentümliche Melodie stammt aus dem 15. Jahrhundert und kommt fast schon mit archaischen Anklängen daher – jedenfalls hat sie denkbar wenig von dem süßlich-romantischen Charme vieler jüngerer Weihnachtsweisen. Sie geht trotzdem oder gerade deswegen ins Ohr und ist – vielleicht auch dank der neuen Textunterlegung von Jürgen Henkys – fast schon so etwas wie ein Evergreen für die Passionszeit geworden.
Ich lade Sie nun zum Mitsingen ein:
… in einer wunderbaren Bearbeitung für Kinderchor und Instrumente, in der die Begleitung mit der fröhlich-markanten Melodie der Flöte vielleicht sogar ein wenig den mittelalterlichen Ursprung der Melodie unterstreicht.
Bleiben Sie gesund und seien Sie behütet.
Herzlichst,
Ihr Stefan Händel
Kirchenmusik Basdorf / Ökumenischer Kirchenchor Basdorf (ÖKB)
Alle bisherigen Wochenlieder finden Sie hier auf der Seite des ÖKB zusammengefasst.