Mit dieser Einleitung könnte die Beschreibung eines heißen Sommers oder die Darstellung von untypischen Wetterphänomenen beginnen … aber weit gefehlt: Es ist ein Buch mit dem Titel „1913. Der Sommer des Jahrhunderts“ , das ich ganz begeistert empfehlen möchte.
Bei der Durchsicht von Buchrezensionen (bei Lesart und bei Perlentaucher) wurde ich schon vor längerer Zeit aufmerksam auf ein Buch von Florian Illies (Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-10-036801-0) mit jenem Titel „1913“ und sofort tauchte bei mir die Frage auf, was denn so besonders an diesem Jahr war, dass man ein Buch darüber schreiben müsste. Der Autor Florian Ilies (hier sein Wikipedia Artikel) war mir aus Beiträgen im Feuilleton der „Zeit“ etwas bekannt. … Ja, und dann hatte ich es doch wieder aus dem Gedächtnis verloren.
Als ich das Buch jedoch später bei Verwandten in den Händen hatte, konnte ich es gar nicht wieder weglegen. Geschichten aus dem Jahr 1913 werden dort kaleidoskopartig erzählt. Mal ist es ein nüchterner Bericht über bestimmte Ereignisse auf dem Gebiet von Kunst und Kultur, mal werden Anekdoten aus dem Künstlermilieu dargelegt, dann wieder sind es – mitunter nur in einem Satz formuliert – technische Neuigkeiten. Das Buch liest sich ähnlich kurzweilig wie eine bunte Zeitschrift im Wartezimmer oder beim Friseur: fast alles ist interessant, das Eine oder Andere fesselt den Leser mehr oder weniger. Man kann die Lektüre jederzeit unterbrechen, ohne den Faden zu verlieren. Menschen aus der Kultur spielen die Hauptrolle im Buch, Franz Kafka, Rainer Maria Rilke, Ernst Ludwig Kirchner, um nur einige zu nennen. Es wird eine Welt gezeigt, die in kultureller Blüte steht, in der eine enorme Kreativität eine Fülle von Meisterwerken in Literatur, Musik, im Tanz oder eben in der Malerei hervorbringt. Auch wenn Namen von Künstlern oder Personen der damaligen Zeit dem heutigen Leser unbekannt sind, mindert das die Lesefreude auf keinen Fall. Man kann ja nachlesen, um welche Personen es sich handelt oder man behält kleine Details im Gedächtnis: 1913 wurde z.B. beim Autohersteller Ford weltweit das erste Fließband in Betrieb genommen. So etwas kann man im Plauderton ganz nebenbei erfahren. Dem Buch liegt eine enorme Fleiß- und Recherchearbeit zugrunde, das Quellenverzeichnis ist entsprechend ausgewiesen.
Der Autor hat aber immer noch eine Bemerkung, eine zusätzliche Figur oder Begebenheit über diesen Sommer in der Hinterhand (https://www.deutschlandfunkkultur.de/florian-illies-ueber-1913-ich-bin-diesem-jahr-voellig-100.html), die er nachfolgend in einer Fortsetzung als weiteres Buch verfasste. Es trägt den Titel „1913 – Was ich unbedingt noch erzählen wollte“ und ist in sehr ähnlicher Weise geschrieben (ISBN- 9783103973600).
Und genau dieses Buch steht obenan auf meinem diesjährigen Wunschzettel zum Weihnachtsfest.
Die Eingangsfrage, wieso gerade das Jahr 1913 im Blickpunkt des Autors steht, können Kulturwissenschaftler sicher ausführlicher und fundierter begründen. Vielleicht wollte Florian Illies aber auch zeigen, dass all dieser kulturelle Reichtum, die enorme Produktivität durch Menschenhand ein Jahr später an einem schrecklichen Abgrund stand und im 1. Weltkrieg durch Menschenhand vernichtet wurde.